Kratzekind

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Windeldermatitis, Bakterien & Konsorten - Willkommen zurück!

Welcome back - das gilt für uns, aber auch für viele von Euch, die sicher auch gerade im Anschluss an die Sommerferien die erste Arbeits-, Kita- oder Schulwoche hinter sich gebracht und jetzt vielleicht wieder einmal die Zeit gefunden haben, in diesem Blog zu stöbern. Ich hoffe, Ihr habt nicht nur objektiv, sondern auch individuell Euren ganz persönlichen Jahrhundert-Sommer erlebt mit vielen Familien-, Ich- und Aus-Zeiten und möglichst wenigen Reha-, Arzt- und Krank-Kratz-Hust-Schimpf-Nerv-Frust-Momenten während der heißen Monate. Und nun? Man blinzelt einmal und schwupps - ist es so gut wie Herbst.

"Wie die Zeit vergeht"

Die Zeit vergeht gerade wie im Nu, oder? Das ist aber nicht immer so. Auf Reisen vergeht die Zeit viel langsamer als im Alltag. Seit wenigen Wochen sind wir zurück in Deutschland und oft hören wir: "Was, Ihr seid schon wieder da? Das gibt's doch gar nicht, das Jahr ging ja so schnell rum!" - Für uns nicht. Es waren lange 13 Monate 'on the road' als Reisefamilie. Ende August sind wir in die heimischen vier Wände zurückgekehrt. Der Abschied von der Westküste Kanadas, der letzten Station unserer Weltreise und Geburtsort unseres 3. Sohnes, fiel uns wahrlich nicht leicht. Es war nicht nur der Abschied von einem liebgewonnenen Ort, sondern auch der Abschied von einem liebgewonnenen Lebensstil, dem der Nomaden. 380 Tage um die Welt, immer aus dem Rucksack lebend, mit zwei (bzw. drei) Kindern über 5 Kontinente, meist in freier Natur fernab der Städte, mit ganz viel Zeit ohne Termine. Und das Beste daran: Wir waren über die gesamte Zeit nicht einmal ernsthaft krank. Niemand von uns musste krankheitsbedingt auch nur ein einziges Mal zum Arzt. Kein Pneumologe, kein Dermatologe, kein Kinderarzt, keine Kur, keine Klinik - nichts.

Die Haut unseres Kratzekindes (Kind Nr. 1) hat ja bekanntermaßen in den letzten sechs Jahren kaum eine Baustelle ausgelassen - und auf Reisen, weitestgehend frei von Stress, Luftverschmutzung oder erdrückendem Klima konnte sie frei atmen, sich regenerieren. Die Basispflege haben wir daraufhin massiv zurückgefahren, Kortison seit fast einem Jahr nicht mehr benutzt, das Asthma-Spray nicht ein Mal ausgepackt. Und jetzt?

Da war doch was - Ach ja, Neurodermitis!

Innerhalb der ersten zwei Wochen zu Hause kann unsere Familie bereits folgende Haut- und Lungen-Befunde aufweisen:

  • Kratzekind (6 Jahre): 1x Erkältung mit nächtlichen Hust- und Kratzattacken, 1x bakterielle Hautentzündung (auf Anraten des Arztes nun mit Kortison behandelt), 1x Pilz, 1x Grasmilbenbefall mit starken Juckreiz. Aktueller Hautzustand: mässig, stark juckend.

  • Raupe (4 Jahre): 1x Erkältung, 1x Milbenbefall mit starken Juckreiz

  • Minimaus (8 Wochen): 1x Windeldermatitis, 1x entzündete Ohren und Halsfalten, 1x Pilz im Windelbereich sowie massive Schorfbildung am Kopf

  • Eltern: 1x Erkältung, 2x Herpes (auch großartig mit Neugeborenem...)

Ergo: Viren, Bakterien, Pilze und sogar Parasiten, alles in nur zwei Wochen (inkl. zweimaligem Besuch bei Haut- und Kinderarzt). Ist das nicht unglaublich? Als ob das Immunsystem unserer Kinder nicht monatelang durch Campen und tägliche Naturerlebnisse bestmöglich gestärkt wurde. Die Windeldermatitis, also ein Ausschlag im Windelbereich, der bei Neugeborenen und Babies in den ersten Lebensmonaten häufig diagnostiziert wird und mit unangenehmen Schmerzen aufgrund von Rötungen, Verkrustungen, Entzündungen und Blasen einhergeht, ist unserem Kratzekind, also unserem Großen, damals im Kleinkindalter glücklicherweise erspart geblieben - seine Neurodermitis-Reise ging erst mit dem Abstillen los. Aber unser Minimaus-Vögelchen mit der drolligen Mecki-Frisur aka Igelkind hat darunter leider jetzt schon zu leiden (BTW: ich muss Euch irgendwann mal ein Foto von seinen Haaren zeigen, einfach unfassbar dieser 80er-Igel auf dem Kopf; bin jetzt schon mehrfach angesprochen worden, ob ich die Haare extra so fönen oder Gel verwenden würde, damit die Haare so schön in alle Himmelsrichtungen abstehen: "Äh. Nein, ich benutze dafür lediglich Haarspray und Haarlack, das vertragen die Neugeborenen besser", hätte ich da am liebsten geantwortet - auf was für Gedanken kommen die Menschen?!).

Also: Schorf, Windeldermatitis, Neugeborenen-Akne - all dies können (müssen aber nicht) Vorboten der Neurodermitis bzw. der Atopie sein. An Ohren und Hals benutzen wir jetzt Schwarztee, um die nässenden Stellen zu behandeln. Am Po gilt: viel freilegen! Zudem benutzen wir aktuell Sudokrem und Heilwolle. Den Schorf behandeln wir nicht; ab und zu tupfe ich nur mit Olivenöl, mehr nicht. Und ob die Neurodermitis kommt? Wir wissen es nicht, warten wir‘s ab. 

Aber was ich eigentlich sagen wollte: so schön es ist, unsere geliebten Menschen, Familie und Freunde endlich wiederzusehen - es ist ernüchternd und erschütternd zu erkennen, dass die Haut der Kinder einfach nicht für die Großstadt gemacht zu sein scheint. Das macht mich unfassbar traurig. Wir kommen voller positiver Energie, gesund und vollkommen entschleunigt zurück und Rumps - zurück in die Zukunft Teil 4. Da klettert man durch die Ur- und Regenwälder dieser Welt, fragt sich, was da so alles um einen herum kreucht und fleucht, um dann im oberhygienischen Deutschland wieder auf die Nase zu fallen? Wat’ne Bruchlandung. Wie eine Willkommensparty mit ungebetenen Gästen. Irgendwie doof.

Neben der immerwährenden Dunst- und Dreckglocke über der Köln-Bonner-Bucht rückt natürlich auch das Thema (Sozial)-Stress wieder mehr in den Fokus. Ich habe einfach mal aus Spaß heute meine Sozialkontakte gezählt, also Kontakte mit Menschen, die über ein einfaches Ignorieren, Wegducken oder simples "Hallo" hinausgehen. Dabei habe ich heut noch nicht einmal etwas Besonderes unternommen. Ich habe Kind Nr. 1 in die Schule gebracht (Hurra, das Kratzekind ist jetzt ein Schulkind!), Kind Nr. 2 in der Kita abgegeben (Hurra, Raupe ist jetzt ein Kindergartenkind!) und bin mit Kind Nr. 3 zum Amt gefahren (Hurra, unser deutsch-kanadisches Igelkind ist einfach nur ein stinknormales, supersüßes Knuddel-Baby, bislang ohne Neurodermitis aber dafür mit Elefantitis, wie mir scheint, wenn man die süßen Speckbeine anschaut und nun auch ausgestattet mit Pass :-)). Danach war ich mit unserem Hund draußen, kurz was einkaufen, habe dann alle anderen wieder eingesammelt und einen Abstecher mit den Kids in den Park gemacht, das war's. Wenn ich alle mir bekannten Kinder in Schule, Kita und Park sowie Erstkontakte (wie z.B. der Sachbearbeiter auf dem Amt oder der Verkäufer) mit denen ich gesprochen habe, abziehe, komme ich immer noch auf fast 30 Sozialkontakte an einem einzigen Tag. Telefonate, Whatsapps etc. nicht eingerechnet. Klar, Köln ist ein Dorf, da kennt in einem Veedel jeder jeden aber diese Schlagzahl des "Grüß Dich, alles gut bei Dir?" ist schon enorm, insbesondere, wenn ich das mit unseren letzten Monaten vergleiche in denen wir so viele Kontakte noch nicht einmal in einem Vierteljahr aufweisen konnten. Für die Kinder ist das ähnlich. Auf der anderen Seite: das macht ja auch das Leben in einer pulsierenden Großstadt aus, das Wuselige, Anregende, Spontane, Vieldimensionale, Abwechslungsreiche ist ja genau das, was uns bislang im Zentrum einer Metropole gehalten hat. Wir sind vielleicht aktuell einfach etwas sensibilisiert und müssen erst einmal wieder unseren Schildkrötenpanzer gegen den Stadt-Wahnsinn inklusive Erregern reaktivieren? Zu diesem „geliebten Wahnsinn“ zählen auch die enorme Grund-Lautstärke plus Fluglärm, Autos, Abgase, Menschen, Baustellen, Gerüche, musikalische Beschallung, die optischen Reizüberflutungen, der Verkehr, die allgemeine Hektik, das Tempo und die Geschäftigkeit, die in der Luft liegen. Die Kinder kommen mit alledem auf den ersten Blick emotional und kognitiv wieder erstaunlich gut zurecht, insbesondere, wenn man bedenkt, was für ein Ein- bzw. Fünfsiedlerleben wir im letzten Jahr geführt haben. Aber vielleicht ist es nicht Herz oder Hirn, sondern in diesem Fall - mal wieder - die Haut, die uns sagen will: Meint ihr das Ernst? Too much!

Na gut, Du größtes Organ des Menschen, musst ja nicht gleich aus der Haut fahren - wir haben verstanden und werden versuchen, wieder einen Gang runterzuschalten soweit das in der Stadt möglich ist. Es gibt ja nicht nur die Extreme sondern auch Zwischenwelten. Und wir sollten uns selbst an unsere gesammelten Anti-Stress Tipps halten. Vielleicht wird es auch Zeit, langsam von unserem imaginären hohen Hippie-Reise-Ross abzusteigen und wieder in der Realität anzukommen, die ist nämlich auch schön. Und falls nicht, kann man sie sich schön machen. Oder etwas ändern. Neurodermitis hin oder her. Wird schon schiefgehen. Welcome back home!